Gibt es einen Auftrag? Das Team um Intendant Lars-Ole Walburg stellt die Spielzeit 2015/16 vor
Das Programm steht: Mit 21 Neuproduktionen, 36 Wiederaufnahmen und vier Gastspielen aus Berlin, Stuttgart und der Schweiz geht das Schauspiel Hannover in die neue Spielzeit 2015/16. Darunter befinden sich vier Uraufführungen und eine Deutsche Erstaufführung.
Den Spielzeit-Auftakt am 11. September markiert Der Auftrag von Heiner Müller. »Erinnerung an eine Revolution« nannte Müller sein Stück, in dem er die existenzielle Ratlosigkeit thematisiert, die unser Leben zunehmend durchdringt. Gibt es noch einen Auftrag? Wie sieht er aus, und wer erteilt ihn? Die Inszenierung von Tom Kühnel und Jürgen Kuttner ist eine Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen, wo sie bereits am 9. Juni 2015 im Theater Marl Premiere haben wird. Als Gäste verstärken Corinna Harfouch und die Band Die Tentakel von Delphi um Hannes Gwisdek das Ensemble.
Neben großen Stoffen der Weltliteratur wie Wolf unter Wölfen von Fallada und Die Brüder Karamasow von Dostojewkskij, die auf der großen Bühne zu sehen sein werden, und der Pflege der Gegenwartsdramatik, der sich das Team um Intendant Lars-Ole Walburg weiterhin verpflichtet fühlt, lohnt sich auch der Blick gen Ballhof. Denn das Junge Schauspiel prägt mit sieben Premieren – das sind ein Drittel aller Neuproduktionen – den Spielplan entscheidend mit.
Zwei aufwühlende Stoffe mit Hannover-Bezug bereichern das Programm: die des Serienmörders Fritz Haarmann und des jugendlichen Hackers Karl Koch. Erst vor wenigen Tagen jährte sich Haarmanns Todestag zum 90. Mal. Der Dramatiker Nis-Momme Stockmann, dem hannoverschen Publikum spätestens seit Tod und Wiederauferstehung der Welt meiner Eltern in mir bestens bekannt, deutet den Fall nicht als Geschichte eines Triebtäters, sondern untersucht die Umstände von Zeit und Ort, unter denen der »Werwolf von Hannover« seine Verbrechen begehen konnte. Stockmann schenkt Hannover ein Musical unter dem Titel Amerikanisches Detektivinstitut Lasso, das Lars-Ole Walburg, Les Trucs und das Ensemble zur Uraufführung bringen. – Der Fall Koch machte in den achtziger Jahren weltweit Schlagzeilen und wurde von Hans-Christian Schmid verfilmt. Christopher Rüping übernimmt die Regie der Uraufführung von 23 – Nichts ist so wie es scheint im Ballhof Eins.
Neue Regiehandschriften gestalten den Spielplan mit: Milena Fischer, Yves Hinrichs, Martin Laberenz, Marius von Mayenburg, Paulina Neukampf und Erik Ulfsby werden erstmals in Hannover inszenieren. Rainald Grebe wiederum schließt seine dreijährige Beschäftigung mit der digitalen Revolution ab.
Das neue Familienstück für alle ab sechs wird Die Schneekönigin sein. Das Märchenstück, das Jewgeni Schwarz nach dem Kunstmärchen von Hans Christian Andersen schuf, erzählt von der verführerischen Schönheit des Bösen und der selbstlosen Kraft der Liebe. Premiere ist am 22. November im Schauspielhaus. Ab sofort können Karten für Schulvorstellungen reserviert werden!
Auf vier hochkarätige Gastspiele können sich Hannovers Theaterfans freuen, so Anfang Februar 2016 auf Die Marquise von O. / Drachenblut nach Heinrich von Kleist und Christoph Hein, eine Inszenierung, die Armin Petras für das Schauspiel Stuttgart schuf. Mit dabei ist u. a. Fritzi Haberlandt, die ihr erstes Festengagement am Schauspiel Hannover hatte und von hier aus die großen Bühnen eroberte. – Kurz darauf begrüßen wir mit dem Maxim Gorki Theater Berlin das »Theater des Jahres« 2014, das eine Regiearbeit von Sebastian Nübling im Gepäck hat: Es sagt mir nichts, das sogenannte Draußen von Sibylle Berg. – Auch die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Berlin schaut in Hannover vorbei und zeigt Murmel Murmel nach Dieter Roth. Die Kultinszenierung von Herbert Fritsch war eingeladen zum Berliner Theatertreffen 2013. – Und schließlich kehrt mit Ruedi Häusermann ein alter Bekannter zurück, der auf der Cumberlandschen Bühne seinen neuen Musiktheater-Abend Radio Moos vorstellt.
Neu im Rahmenprogramm ist die Leseshow Teilzeit-Flaneure, in der Hartmut El Kurdi Satire, Pop, Polemik und komische Literatur präsentieren wird. Der Theaterautor und Kolumnist verstärkt ab Herbst 2015 die Dramaturgie des Schauspiel Hannover. Fortgeführt werden die Reihen Kuttner erklärt die Welt, Hufschmidt liest Musil, Weltausstellung Prinzenstraße, Kunstfieber und Montagsbar.
Foto L.H.